Donnerstag, 24. Juli 2008

Leben in der Grossstadt

Natürlich bringt so eine Stadt neben dem Verkehr, dem Lärm und den Leuten auch Vorteile mit sich. Zum Beispiel gibt es hier WÄSCHEREIEN. So konnten wir endlich wieder mal frische Kleider anziehen, statt die gebrauchten aus dem Wäschesack zu grübeln und nochmals anzuziehen... ;-)

Wir unternahmen verschiedene Ausflüge rund ums Zentrum, zu Fuss oder mit dem Rad. Am zweiten Tag schon übten wir uns im Metro-Fahren und durchstreiften die Fussgängerzone, wobei wir auch auf den städtischen Markt trafen. Dort wurden in einer Halle von der Grösse des Zürcher Hauptbahnhofes frischer Fisch und Meerestiere, Gemüse und Früchte angeboten. Daneben befanden sich eine Vielzahl von Restaurants.


Per Zufall (nein Arno und Daniela, wir haben euch nichts abgeschaut!) stellt in Santiago zurzeit Bodies seine Kunstwerke aus. Einen ganzen Nachmittag lang verbrachten wir so mit Bestaunen (Didi) und Analysieren (Katja) dieser konservierten menschlichen Körper.

Die Nachtessen nahmen wir abwechslungsweise in Restaurants ein (türkische Pizzeria, antiker Coiffeursalon, Araber, deutsch-chilenische Imbissbude mit Unterhaltungseffekt) oder kochten selber etwas.


Als einer der Höhepunkte (zumindest geographisch) zählt sicher die zweimalige Fahrt auf den 880m hohen Cerro San Cristobal, welcher quasi unser Hausberg war. Während beim ersten Besuch noch Wolken den Himmel und eine dichte Smogglocke die Stadt verhüllten, hatten wir einen Tag später dank einer Regennacht eine phänomenale Aussicht über das Meer von Gebäuden. Von hier oben kriegt man eine Ahnung vom wirklichen Ausmass dieser Metropole...



Auf dem Rückweg vom Cerro San Cristobal besorgten wir in einem etwas ausserhalb gelegenen Einkaufszentrum ein neues Mikrofasertuch sowie für Katja eine neue Sonnenbrille. Somit sollten wir für die nächsten Radlermonate gerüstet sein.


Zum Schluss noch etwas für die Statistik. Seit unserem Reisestart am 6.März haben wir ca.:
  • 2 platte Reifen geflickt
  • 9 kg Sahnenuss-Schockolade verdrückt
  • 60 mal unser Nachtlager gewechselt
  • 230 Stunden auf dem Sattel verbracht
  • 4000 Velokilometer zurückgelegt
  • 1'200'000 mal in die Pedale getreten

Ankunft in Santiago

Die Hauptstadt Chiles empfing uns mit einem komplett anderen Gesicht, als was wir in den letzten Monaten kennengelernt hatten. Die Metropole mit über 5 Millionen Einwohnern erdrückte uns im ersten Moment beinahe mit ihren Hochhäusern, den 5-spurigen Strassen mit Grossstadtverkehr, dem unabhörlichen Lärm und den unmengen von Leuten. Da wir mit dem Bus in die Stadt einreisten, hatten wir keine "Angewöhnungsphase" und waren von einer Minute auf die andere mit dem neuen Umfeld konfrontiert.


Die erste Nacht verbrachten wir somit in einem kleinen Hotel, da sich Didi in einem besuchten Hostal mit über 100 Bettern und voller Leute schlicht unwohl fühlte, was sich jedoch noch ändern sollte. Das allgegenwärtige Misstrauen, dass hier in der Stadt herrscht, kamen wir auch bereits am ersten Tag zu spüren. Im Hotel bekamen wir ein zweiseitiges Reglement zur Unterzeichnung ausgehändigt, alle Zimmer MÜSSEN mit einem Schloss gesichert werden und einmal klopfte sogar jemand an unsere Zimmertür und warnte uns: "Ihr könnt euere Kochutensilien nicht einfach in der Küche stehen lassen, die werden gestohlen!"

Glücklicherweise wurden sie nicht (gestohlen). Wir wechselten am nächsten Tag die Bleibe in ein sehr zentrales und antikes Residencial, wo es uns wöhler war und blieben hier eine ganze Woche!


Eines der ersten Projekte von Didi war, für seinen Anhänger Ersatzsplints anfertigen zu lassen und die Montagevorrichtung der Lenkertasche zu reparieren. Dazu musste ein Geschäft gefunden werden, welches feinmechanische Arbeiten ausführen kann. Mit einem im Hostal residierenden Musiker besuchte Didi ein Musikgeschäft, wo man ihm die Strasse mitteilte, in welcher die Velogeschäfte seien. Da die Velospezialisten jedoch nur Räder und deren Komponenten verkaufen, nicht aber über eine eigene Werkstatt verfügen, verwies man ihn in die Strasse mit den Autowerkstätten, wo er nach weiterem Fragen in den Hinterteil eines Geschäfts und in ein mikriges Kämmerlein geführt wurde.

Darin sass ein älterer Mann beim Zvieri, umgeben von Regalen vollgestopft mit Altmetall, Blechen, Schrauben und mittendrin stand ein Drehbank.


Als Didi ihm das defekte Teil zeigte mit der Frage, ob er ein Ersatz aus Metall anfertigen könne, meinte dieser: "Muuuy complicado y muy caro!". Er schätzte den Aufwand auf 2 Arbeitstage und forderte einen entsprechenden Preis. Erst als Didi sich setzte und auf einem Stück Papier eine Skizze mit Vermassung entwarf (zwar nicht DIN-konform, aber ganz OK), verringerte sich der Aufwand auf zwei Stunden und der Preis auf ein realistisches Niveau.

Beim Abholen der angefertigten Teile zeigte sich das mittlerweile überaus freundliche Mannlein sogar zu Scherzen aufgelegt, liess sich fotografieren und gab noch eine Restaurantempfehlung ab. Die Ersatzteile waren übrigens perfekt.

Zugfahren in Chile

In Constitucion starteten wir wieder einmal den Versuch, die seit längerem anstehende Wäsche zu waschen. Erneut mussten wir feststellen, dass es abseits vom Touristenstrom keine öffentlichen "Lavanderias" gibt, was zur erneuten Vertagung dieses Projektes führte. Es regnete wiedermal in Strömen, was uns eine Pause mit Stadtspaziergang im Regen und einen Jass-Nachmittag in einem düsteren, kalten Cafe bescherte.

Am nächsten Morgen war um 6.00 Uhr Tagwach und pünktlich um 7.15 Uhr tuckerte die Schmalspurbahn in Richtung Talca los.


Das war eine wunderschöne Fahrt mit diesem Dieselross entlang dem Rio Maule, fernab von Strassen durch nahezu unberührte Natur und die Hauptanbaugebiete der chilenischen Weine. Auch das Wetter spielte mit und wir sahen seit langem wieder einmal richtig blauen Himmel.


In Talca angekommen, kümmerten wir uns als erstes um den Ersatz des verlorenen Befestigungssplintens für Didi's Anhänger. Zeitgleich ging gerade noch das Befestigungssystem seiner Lenkertaschenhalterung kaputt. Das war irgendwie nicht sein Tag...
Unsere Suche nach Reparaturwerkstätten blieb erfolglos. Da wir wussten, dass die 250 verbleibenden Kilometer bis Santiago nur über die wenig verlockende Autobahn zu bewältigen waren und wir uns zudem erhofften, in Santiago einfacher an Ersatzteile zu kommen, beschlossen wir spontan den Bus zu nehmen.
Das war ein ziemlicher Kontrast: morgens mit dem antiquierten, rumpelnden Zug durch die Natur und nachmittags im topmodernen Bus mit Fernsehen und Kaffeeservice über die Autobahn.

Dienstag, 15. Juli 2008

Impressionen

Die letzten 10 Tage unserer Reise waren geprägt von verschiedenen Erlebnissen aus dem Alltag der Chilenen. Wir reisten der Küste entlang via Arauco, Conception, Cauquenes und Chanco nach Constitución und befinden uns noch ca. 300km südwestlich von Santiago. Da sich das Wetter nicht immer von der besten Seite zeigte, verbrachten wir mehr Zeit in Cañete und Chanco, wo wir unter anderem an einem Bingoabend, einer Theatervorstellung, der CD-Taufe eines "Lokalstars" und an einem Sonntagsmarkt teilnahmen. Zur Abwechslung posten wir statt viel Text einfach ein paar Eindrücke in Bildform.

Die eher etwas wilde Verkablung der Stromleitungen in greifbarer Nähe vor dem Zimmerfenster in Conception:

Kurze Pause auf einer Brücke vor Constitución:

Zwei chilenische Gauchos (Huasos) beim sonntäglichen Ausritt in die Stadt. In der Schweiz fährt man mit geputztem Auto aus, hier wird geritten ;-)

Farbiger Sonntagsmarkt mit Gemüse, Werkzeug und Kleider in Chanco:

Luxus: in diesem Sägewerk sind die Mitarbeiter gegen Berufsunfälle versichert...

Fussballspielende Hühner in Chanco:

Laut einer Chilenin gebe es an dieser Küste die höchsten Wellen der Welt. Wenn man solche Schilder sieht, glaubt man ihr.

Das leben spielt sich auf der Strasse ab, man trifft sich im Park zum Schwatz.

Ohne Worte...

Gelegentlich wird der Veloreiseführer studiert. Die von uns besuchten Orte sind jedoch oft weder im Lateinamerika Bikebuch noch im Lonely Planet erwähnt.

Die gigantischen Eukalyptusbäume des eindrücklichen Naturreservates Federico Albert in Chanco, wo der deutsche Wissenschaftler vor rund hundert Jahren einen Wald gepflanzt hat, um die sich über das Kulturland ausbreitenden Sanddühnen "aufzuhalten":

Komplette Ausrüstung für den Huaso, fehlt nur noch das "Ferd":

Manchmal muss man aus dem Sattel aufstehen zum Absitzen, weil der Blutzucker gesunken und der "Blues" gestiegen ist.

Es ist zwar nicht Erdbeerenzeit, die frisch gesetzten Jungpflanzen auf den Feldern und die Verkaufsstände deuten darauf hin, dass hier das Klima für diese süssen Früchte herrscht.

Am Nachmittag bringen die Fischer ihren Fang an Land. Hier roch es nicht wenig nach Fisch...

Freitag, 4. Juli 2008

Von Pucon nach Cañete

Wir verliessen Pucon in nordwestlicher Richtung und kamen vom Gebiet der deutschen Siedler ins Zentrum der Mapuchekultur.


Grosstadtscheu wie wir sind, umfuhren wir Temuco auf teils sehr einsamen Strassen ueber Pitrufquen, Teodoro Schmidt, Carahue und schliesslich der Pazifikkueste entlang ueber Tirua ins angenehme Staedtchen Cañete. Die Erfahrungen der vergangenen Tage waren gepraegt von eindruecklichen Begegnungen in einer Gegend, in die sich kaum einmal ein Tourist verirrt.


Im Oertchen Teodoro Schmidt machten sich die Leute solche Sorgen, dass wir uns verirren koennten, dass uns eine Frau mit ihrem Auto ca. 15km weit quasi "eskortierte", um uns auf den richtigen Weg zu leiten. Die Kiesstrassen fuehrten uns durch duenn besiedeltes Gebiet und die Leute sprachen uns immer wieder an, woher wir kaemen und wohin wir gingen.

Jorge Gonzalez lockte seine ganze Familie aus dem Haus, um die Sensation Velotouristen zu bewundern und fotografieren. Seine Frau brachte uns "Sopaipillas" (frittierte Broetchen) auf die Stasse und wir referierten und lachten eine ganze Weile.


Gerade zum 25. Geburtstag der freiwilligen Feuerwehr kamen wir im kleinen Oertchen Puerto Dominguez an. Fasziniert verfolgten wir die Zeremonie, in der die Feuerwehrmaenner sangen, paradierten und eine "Feuer-und Wassertaufe" demonstrierten.


Eine beeindruckende, wie eine Schneise aus den Huegeln geschnittene, holperige Kiesstrasse brachte uns an die Kueste. Gauchos auf ihren Pferden und Bauern mit Ochsenkarren kreuzten unseren Weg. Wir kamen nur langsam voran und als es Abend wurde beschlossen wir, am Strand unser Zelt aufzuschlagen. Bei einer der etlichen Schulen die's hier gibt -wir fragen uns, woher die in dieser einsamen Gegend die vielen Kinder nehmen- baten wir um Wasser. Es wurde gerade der "Tag der Kartoffel" gefeiert und in der Schulkueche herrschte Hochbetrieb. Nebst Wasser wurden wir von der Koechin mit einem ganzen Sack voll frisch frittierter Sopaipillas beglueckt.


Wir fuhren an den Strand, genossen den Sonnenuntergang und bauten neben Kuehen und Schweinen unser Zelt auf. Waehrend wir am naechsten Morgen beim Fruehstueck unsere Blicke ueber das Meer schweifen liessen, erfreute eine Gruppe vorbeischwimmender Delphine unsere Augen.



Eine kurze aber anstrengende Berg-und Talfahrt durch eine wunderschoene Gegend brachte uns in den urchigen Ort Tirua. Unterwegs hielt ein Camionfahrer an und wollte uns mitnehmen, doch wir zogen es vor, die schoene Strecke bei herrlichem Sonnenschein selbt zu strampeln. In Tirua versuchten wir unsere leeren Portemonnaies aufzufuellen, was ohne Bancomat gar nicht so einfach war. Schliesslich konnten wir die Betreiber eines Supermercados, welcher Kreditkarten als Zahlungsmittel akzeptiert, dazu ueberreden, dass sie uns fuer unseren Einkauf etwas mehr Geld abbuchten und uns die Differenz auszahlten.


Wir kamen in einem schummrig-schmuddeligen Hospedaje unter und machten dort unsere erste Bekanntschaft mit einer "Elektrodusche". Da wird das Wasser gleich an der Brause elektrisch aufgeheizt und trotz des warmen Wassers duschte Katja mit einem leicht mulmigen Gefuehl.


Die Fahrt nach Cañete war auf guter Teerstrasse durch flaches Gelaende wie Honiglecken. So liessen wir es uns auch nicht nehmen, der Einladung der fuenf Gauchos, die uns von der Strasse winkten, zu folgen. Waehrend einer ein Pferd beschlug, unterhielten uns die anderen bei saurem Most und Crackers. Erst zwei Stunden spaeter fanden wir uns auf der Strasse wieder, um das letzte Stueck bis Cañete unter die Raeder zu nehmen.


Cañete war uns auf Anhieb sympathisch. Wir fanden ein sauberes Hospedaje und goennten uns in einem speziellen Restaurant mit schoenem Ambiente und lokalen Spezialitaeten ein herrliches Nachtessen.