Dienstag, 28. Oktober 2008

Neuer Reiseabschnitt

Nach fast acht eindrücklichen, von vielen wunderschönen und unvergesslichen Erlebnissen geprägten Reisemonaten, haben wir hier in La Paz nach 7500 Kilometern gemeinsamen Radelns beschlossen, dass von nun an jeder seinen eigenen Weg gehen wird.

Die gemeinsame Radreise war für uns beide eine grosse Herausforderung, nicht nur körperlich (wir sassen fast 450 Stunden im Sattel), auch psychisch verlangte das permanente Beisammensein oftmals starke Nerven. Diesem Druck möchten wir etwas nachgeben mit einer individuellen Weiterreise. Wir trennen uns in aller Freundschaft und freuen uns auf unsere nächste Begegnung, sei es noch hier in Südamerika oder auch erst wieder in der Schweiz.


Didi wird die Reise per Rad nach Peru und Ecuador fortsetzen, während Katja auf den "Rucksack" umsteigt. Blog-Leser von Katja's Seite melden sich doch bitte per Mail bei Ihr "katja.reichstein(at)gmx.ch", falls Sie gerne mit Sammelmails über den weiteren Verlauf von ihrer Reise informiert werden wollen. Natürlich lohnt sich für alle Leser weiterhin der Besuch hier beim Diario de bicicleta.

In ca. 2 Wochen kommt Adrian Trüllinger aus der Schweiz mit seinem Rad nach Peru und wird Didi für zwei Monate begleiten. Wir freuen uns auf einen neuen Reiseabschnitt.

Ausflug nach Coroico

An einem Tag machte Didi einen Ausflug per Rad nach Coroico. Dieses Dorf ist weniger fuer seine Sehenswuerdigkeiten bekannt, als fuer seine besondere geografische Lage: es liegt etwas mehr als 100km von La Paz entfernt, dafuer faellt die Strasse waehrend 72km von 4600 auf 1200m.ue.M. ab.


Bis 2006 gab es nur eine einzige schmale Kiesstrasse, welche den steilen Abhaengen entlang in die Tiefe fuehrt. Die oft rutschige Beschaffenheit der Piste, Wasserfaelle die den Hang hinunterstuerzen und die Fahrweise der Bolivianer (nicht selten im betrunkenen Zustand) machten diese Route zur gefaehrlichsten Strasse der Welt, gemessen an den jaehrlichen Todesfaellen. Seit vor 2 Jahren eine neue asphaltierte Strasse nach Coroico fertiggestellt wurde, wird die "alte" Route hauptsaechlich von Touristen genutzt, welche den Downhill-Ride per Mountainbike geniessen.

Einmalig ist vor allem die Tatsache, dass bei einem Gesamtabstieg von 3400 Metern verschiedene Klimazonen durchfahren werden. Gestartet wird auf einer Hoehe, wo kaum ein Grashalm waechst, im Extremfall vom ausgesuchten Tag herrschte beim Start auf El Cumbre (4600m.ue.M) ein ziemliches Schneegestoeber.


Nach 40 Minuten Abfahrt im eiskalten und feuchten Schneematsch hellte es ploetzlich auf und die verschneiten Gipfel leuchteten im Sonnenschein.


Auf einer Hoehe von 3600m.ue.M. beginnt dann die Kiesstrasse, welche sich an den fast senkrecht abfallenden Hang schmiegt. Nicht selten wird man vom herabstuerzenden Wasser "geduscht".


Je weiter hinunter man kommt, desto feuchter und waermer wird das Klima. Es wachsen auf einen Schlag ploetzlich wieder Baeume und die Umgebung wird sichtlich gruener. Bis man sich im Tal (schweissgebadet) von der ueberfaelligen Kleidung entledigt und einem der Duft des feuchten Gruen in die Nase steigt.


Die Rueckfahrt nach La Paz dauerte dann fast 3 Stunden, da der Bus die gesamte Strecke rueckwaerts wieder hinaufklettern muss, gluecklicherweise auf der neuen und geteerten Strasse.

Freitag, 24. Oktober 2008

La Paz

Wie schon erwähnt liegt La Paz mit seinen knapp 900'000 Einwohnern in einem grossen Talkessel, das Häusermeer schmiegt sich bis hoch an die Kante des Canyons. Zuunterst im Tal liegt Downtown mit seinen Hochhäusern. Sobald sich die Nacht über La Paz ausbreitet verwandelt sich das Tal in ein Meer aus Lichtern, welche den kompletten Kessel auffüllen.


Ausserhalb des Kessels (wie auf einem Tellerrand) liegt El Alto, quasi die "Agglo", welche mittlerweile mehr Einwohner zählt als La Paz selber. Sie besteht jedoch praktisch nur aus roten Backsteinmauern und machte auf uns einen tristen und schmutzigen Eindruck.

La Paz selber gilt trotz ihrer Grösse als eine der sichersten Städte Lateinamerikas. Nebst einigen wenigen Supermärkten erhält man hier (wie auch in den anderen Städten Boliviens) in den Gassen an kleinen Ständen alles was das Herz begehrt, vom Parfüm über Kratzhilfen bis zum Popcorn:


Gewisse Strassen sind taeglich voll von farbigen Fruechte- und Gemuesemaerkten, wo z.B. Orangen, Papaya, Bananen und Limonen aber auch alle Arten von Gemuese aufgehaeuft zum Kauf angeboten werden.


Diese Staende sind werk- und sonntags "geoeffnet", von fruehmorgens bis zum Sonnenuntergang. Dass diese Praesenz ermuedend sein kann, zeigt sich darin, dass viele Verkaeuferinnen hinter (oder auf) ihrem Angebot einnicken...

Zurück ins Altiplano

Cochabamba

Der Vorteil einer Grossstadt ist die kulinarische Vielfalt: als Abwechslung zum bolivianischen Standardmenü ("Arroz, Papa y Pollo" = "Reis, Pommes und Poulet") genossen wir bei einem Italiener delikat grilliertes Gemüse und Salat. Unsere angewachsene Lust nach etwas knackigem und grünem konnte so wenigstens etwas gestillt werden.

Die Pneus unserer Räder wurden von Dornen und Nägeln befreit und die Felgen zentriert. So konnten wir neu gestärkt und vorbereitet die nächste Etappe bis nach La Paz in Angriff nehmen.

Weiterfahrt

Auf einer stark befahrenen Hauptstrasse quasi durch die Gewerbezone verliessen wir Cochabamba, teilweise sogar auf einem Radweg.


Entlang der Strasse befanden sich unzählige Werkstätten/Garagen, Ziegeleien und Comedores (Imbissbuden). Nach 30km begann dann der Aufstieg von 2500 auf 4600m.ü.M. Mit uns war auch dieser Eseltreiber unterwegs, welcher gerade ein Fuder Gras in Sicherheit brachte.


Nach 3 Stunden Anstieg setzte nämlich plötzlich ein heftiges Gewitter ein. Seit Monaten hatten wir tagsüber keinen Regen mehr erlebt! Glücklicherweise passierten wir gerade ein paar Häuser, so dass wir in einem kleinen Laden unterstehen und warten konnten, bis das Gröbste vorbei war.

Auf halbem Weg zur Passhöhe (nach immerhin 1000 Höhenmetern) übernachteten wir im Zelt und setzten die Fahrt am nächsten Tag fort. Interessant war, dass sich auf der Passhöhe sicher 15 verschiedene Restaurants mit Miniläden befanden. Hier stockten wir unsere Schoko-Reserven auf.

Es war unübersehbar, dass heute Sonntag war. Die Leute in den Dörfern trugen ihre schönsten Sonntagskleider und trafen sich auf dem Dorfplatz. Es wurde gegessen, lautstark Volksmusik gehört und die Jungen spielten Fussball. Scharen von Kindern versammelten sich um uns, wenn wir gelegentlich anhielten um das Treiben zu beobachten.

Im Dorf Japo versuchten wir zuerst, im "Centro de Medico" unterzukommen. Von anderen Radlern haben wir erfahren, dass man im Sanitätsposten die Nacht am "Schärme" verbringen könne. Die Chefärztin verwies uns jedoch weiter zum Handwerkszentrum mit Unterkunft. In dieser Werkstatt stellen die Frauen aus der Umgebung auf traditionellen Webstühlen Stoffe her, welche dann zu Kleidern, Tüchern oder Taschen weiterverarbeitet werden. Nebenbei betreiben sie auch eine Unterkunft.


Völlig unerwartet kamen wir so zu einem richtigen Bett, einer heissen Dusche und sogar einer Küche, wo wir unser Nachtessen zubereiten konnten. Eigentlich hätten wir gerne auswärts gegessen, dies sei jedoch hier im Dorf nur an einem Tag pro Woche möglich - heute war nicht dieser Tag.

Am Strassenrand trafen wir auf der Weiterfahrt einen Typen, welcher Kartoffeln verkaufte und wir quatschten eine Weile mit ihm. Der fotografierte Hemden-Tausch kam leider nicht zustande, da er ein anderes/sauberes T-Shirt von Didi wollte. Also eigentlich wollte er nur den Inhalt unseres Gepäcks sehen...


Nach einigem Auf und Ab öffnete sich das Tal und wir fuhren hinaus in die grosse Ebene des Altiplano. Hier sichteten wir seit langem wieder weidende Lamas, Frauen mit Melonen statt Strohhüten und pflügende Ochsen.





Beim Blick über die weite Ebene stechen einem immer wieder kleinere oder grössere Sandwirbel (so genannte "Staubteufel" oder "Dustdevils") ins Auge, welche durch thermisch aufsteigende Luft entstehen. Hier ein ziemlich eindrückliches Exemplar.


Im Ort Caracollo fragten wir in verschiedenen Unterkünften nach einem Schlafplatz. Bis auf eine wurden wir jedes mal enttäuscht - nicht, weil es kein Platz hatte, sondern keine Duschmöglichkeit. Ein Hostelbesitzer argumentierte, wir könnten uns im nahen Dorfbach waschen. Nur, dass dieser im Moment keinen Tropfen Wasser führte, war ihm glaub nicht bewusst.


Der letzte Tag auf dem Weg nach La Paz war dann der längste und strengste. Auf den über 100km hatten wir ständig leichten Gegenwind. Unterwegs trafen wir die beiden Holländer Radler Wouter und Will, welche das gleiche Ziel hatten wie wir. Wouter ist bereits seit 18 Monaten unterwegs, beradelte Asien, Südafrika und jetzt Südamerika.


Ankunft in La Paz

20km vor La Paz erreichten wir das Häusermeer von El Alto, der Vorstadt von La Paz. In Wolken von Abgasen und entlang einer endlos erscheinenden staubigen Hauptstrasse durch die Backsteinmauern gelangten wir endlich an die Kante des Canyons, worin sich La Paz ausbreitet.


Eine rasante Abfahrt folgte und wir fanden uns einmal mehr mitten in einem belebten südamerikanischen Strassenmarkt wieder.

Es gibt zwei Methoden, wie wir in einer uns unbekannten Grossstadt Orientierungshilfe bekommen. Entweder wir fragen aktiv einen Ortsansässigen oder - diese Variante verwenden wir öfters und lieber - wir halten einfach an einem menschenreichen Platz und warten, bis uns jemand anspricht. Diesmal waren es zwei uniformierte Polizisten, welche uns "gwundrig" ausfragten und uns breitwillig den Weg zu unserem Hostel erklärten.

Nach dieser 105km-Etappe gönnten wir uns ein ausgiebiges Nachtessen, mit Salatteller, Fleisch, Pommes und einem grossen Stück Schokoladentorte zum Abschluss.

Freitag, 17. Oktober 2008

Aiquile bis Cochabamba

Im Hostal genossen wir erstmal die Dusche, welche zwar kalt war und nur tröpfchenweise Wasser lieferte, aber sie befreite uns von einer dicken Staubschicht.


Während eines abendlichen Spazierganges durch die Strassen von Aiquile erblickten wir plötzlich eine Charangowerkstatt, wo ein Instrumentenbauer noch immer am Werk war. Wir durften sein "Revier" betreten und der freundliche Typ erkärte uns alles Wissenswerte über die Herstellung dieser Saiteninstrumente.

Vor der Weiterfahrt am nächsten Tag deckten wir uns am Sonntagsmarkt mit frischen Früchten ein. Einmal mehr genossen wir die lebhafte Athmosphäre zwischen den Gemüse- und Früchteständen, Schuhmachern und anderen Handwerkern.


Ab jetzt begann eine Strassenart, welche wir in der Schweiz ebenfalls kennen - nämlich von der Tremola auf dem Gotthard. Es folgten 72km Kopfsteinpflaster, welche uns und die Räder ziemlich heftig durchschüttelten. Zum Glück gab es meistens einen sandbedeckten Seitenstreiffen, was die Fahrt etwas angenehmer machte.


Auf dieser Strasse durchquerten wir ein tiefes Tal, was eine rasante Abfahrt und ein umso strengerer Anstieg auf der anderen Seite mit sich brachte. Vor dem Aufstieg erkundigten wir uns im Dörfchen, ob es ein Laden o.ä. gäbe, um unseren Durst zu stillen. Wir wurden zu einer Hütte verwiesen, wo uns eine uralte Greisin in ihrem Wohnzimmer 2 Flaschen Limonade verkaufte. Verständigen mussten wir uns mit Händen und Füssen, da die Frau nur Quechua sprach.


Nach dem mehrstündigen Aufstieg raus aus dem Tal begann es zu dämmern und wir benötigten dringend Wasser für das Abendessen und den morgigen Tag. Einen Fluss oder Bach gab es weit und breit nicht. So klopften wir bei Campesinos an und baten um einige Liter Wasser. Erst beim zweiten Anlauf stiess unsere Bitte auf offene Ohren, da die Flüssigkeit per Camion von weit her geholt werden muss und entsprechend rar ist. Mit einigen gefüllten Flaschen im Gepäck und sichtlich erleichtert suchten wir einen ebenen Platz, wo wir campierten.

An diesem Abend entschlossen wir einstimmig, dass wir ab heute auf dieser Höhe keine Pasta und kein Reis mehr zubereiten werden. Die pampigen und teigigen Hörnli waren nur dank Oliven und Peperoni knapp geniessbar.


Für die ca. 3-stündige Etappe bis ins nächste Dorf blieb uns nur wenig Wasser übrig, welches eisern eingeteilt werden musste. Die schweisstreibende Piste und die heissen Temperaturen trockneten unsere Kehlen aus, so dass wir "halb verdurstet" in Totora bei einem Laden ein 2-Liter-Fanta im Handumdrehen leerten.

Ab jetzt war wieder Teer und vor allem Abfahrt angesagt, zumindest bis ins Dörfchen Epizana. Hier stach uns vor allem eines ins Auge: das Hotel Hilton. Nicht scheu und fast aus Jux erkundigten wir uns über eine Übernachtungsmöglichkeit und bezogen ein Zimmer. An die Luxus-Hotelkette Hilton erinnerte jedoch weder das Plumpsklo, die Zimmertür ohne Türfalle und Schloss noch die Tatsache, dass wir zum duschen über die Strasse ins Haus der Hotelbesitzerin durften/mussten.

Jetzt trennte uns nur noch der 3600 Meter hohe Paso Siberia von Cochabamba. Diesen namen wir tags darauf mit starkem Seitenwind in Angriff. Entlang eines fruchtbaren Tales stiegen wir quasi den ganzen Tag kontinuierlich leicht hinauf, bis unser Höhenmesser und eine Ortstafel auf die Passhöhe hinwiesen. Die Bauern bewirtschaften hier Felder, welche bis weit an die Berghänge hochreichen, mit Mais, Kartoffeln und Soja.


An einem idyllischen Bach auf der anderen Seite des Passes erspähten wir das ideale Nachtlager. Nach dem Einholen der Erlaubnis bei den "Nachbarn" zapften wir frisches Wasser aus dem Bach und genossen ... richtig, keine Pasta, sondern Kartoffelstock mit frischer Tomatensalsa. Am nächsten Morgen überraschte uns die Nachbarsfrau mit einer Tasse heissem "Tojori", einem Maisgetränk mit Zucker und Zimt. Lecker!


Die letzten Stunden hauptsächlich bergab brachten uns schliesslich in die Grossstadt Cochabamba. Unsere Taktik, erstmals richtung Zentrum zu fahren, führte uns durch einen riesigen Strassenmarkt mit dichtem Gewühl aus hupenden Autos, Passanten, Verkäufer(innen) und unzähligen Ständen mit frischen aufgehäuften Früchten und Gemüsen. Wir zirkelten unsere Gefährte erfolgreich durch die Menge und stiegen in einem Hostal ab, wo der Innenhof mit farbigen Blumen bepflanzt ist.

Von Sucre nach Aiquile

Sucre ist mit seinen herrlichen Kolonialstilgebäuden, weissgetünchten Kirchen mit ihren sichtbaren Glockenspielen und seiner grünen Plaza wahrscheinlich die schönste Stadt in Bolivien. Wir quartierten uns im Zentrum, gerade gegenüber des lebendigen und farbenfohen "Mercado Central", in einem angenehmen Hostel ein und hatten der Aufenthaltsbewiligungs-Geschichte wegen vier Tage Zeit um die schöne Stadt zu geniessen und uns auszuruhen.


Am Sonntag fuhren wir mit dem Bus ins kleine Dörfchen Tarabuco, welches für seinen traditionellen Sonntagsmarkt bekannt ist. Wir vergnügten uns einige Stunden mit beobachten, staunen, probieren und natürlich kauften wir auch diese und jene Kleinigkeiten.


Schliesslich mussten wir unseren Aufenthalt in Sucre unfreiwilig noch um zwei weitere Tage verlängern, da unsere Verdauungstrackte von unserer Probierfreudigkeit unbekannter Speisen nicht so begeistert waren, sprich da eine dieser Speisen möglicherweise mit verdorbenen Zutaten zubereitet wurde. Nachdem wir den Grossteil dieser zwei Tage mit schlafen verbracht hatten, gönnten wir uns am Abend vor unserer Abreise noch einen Besuch im modernen Kino von Sucre.

Einmal mehr war es nicht ganz einfach, den richtigen Weg aus der Stadt heraus zu finden. Nach einem zügigen Anstieg fiel uns auf, dass in regelmässigen Abständen Hunde am Srassenrand lagen und friedlich auf irgendwas zu warten schienen. Wir haben gelesen, dass dies in Bolivien vor langen, steilen Abfahrten üblich ist, da die Lastwagenfahrer diese Hunde scheinbar füttern um die Geister milde zu stimmen, damit sie die Abfahrt heil überstehen.

Es kam dann tatsächlich eine lange Abfahrt in ein schönes Flusstal. Hier wurden die Temperaturen merklich wärmer. Wir folgten dem Flusslauf auf leicht hügeligem Profil durch kleine Dörfchen und wurden immer wieder von heimkehrenden Schulkindern begleitet und bestaunt und hörten nicht selten die uns bekannten Gringo-Rufe.


Abends machten wir im kleinen Örtchen Puente Arce halt. Der freundliche Besitzer des Dorfladens offerierte uns, wir könnten in einem der zahlreichen leerstehenden Gebäude nebenan übernachten. Diese waren jedoch so schmutzig, dass wir diesen Staub unseren Schlafmatten und -säcken nicht zumuten wollten. Der überdachte Fuss- und Basketballplatz schien uns seiner Ebenheit wegen ein geeigneter Ort, um das Zelt aufzubauen. Als uns die Anwohner dann sagten, dass morgen früh hier der Markt stattfinden wird, änderten wir aber unsere Meinung.

Auf der Suche nach einem geeigneten Zeltplatz kamen wir an der ausrangierten Dorfkirche vorbei und staunten nicht schlecht, als uns beim hereinschauen ein grunzendes Schwein begrüsste. Schliesslich bauten wir das Zelt unten am Fluss auf und gingen bald darauf zurück ins Dorf zum Abendessen. Zwei unabhängige Quellen verrieten uns da, es habe gefährliche Schlangen unten am Fluss und sie würden also nicht da übernachten. Wir verschlossen vor dem Schlafengehen alle unsere Taschen im Vorzelt "Schlangendicht", liessen uns ansonsten aber nicht weiter einschüchtern und bekamen auch keines dieser Viecher zu Gesicht.

Die Nacht und auch der kommende Tag waren richtig warm. Bei Puente Arce endete die Teerstrasse und ein langer, beschwerlicher Anstieg auf -allerdings recht guter- Kiesstrasse erwartete uns. Die noch nicht ganz wiederhergestellte Fitness litt zusätzlich unter der ungewohnten Wärme und vorallem unter den Staubwolken die uns jedes Mal einhüllten, wenn uns ein motorisiertes Fahrzeug überholte oder kreuzte.


Müde und eschöpft schlichen wir abends den letzten, steilen, endlos erscheinenden Anstieg hoch und freuten uns über die Belohnung: eine 6 Kilometer lange Abfahrt, die uns nach Aiquile, die "Hauptstadt des Charangos" brachte. Charangos sind wie kleine Gitarren, die aus Holz oder -etwas weniger tierfreundlich- aus Panzern von Gürteltieren gefertigt werden.

Samstag, 4. Oktober 2008

Sucre

Aus Potosí heraus führte uns, das erste mal seit wir in Bolivien sind, eine asphaltierte Strasse. Da wir uns auf einer Höhe von über 4000m.ü.M. befanden, folgte ein Tag mit fast ausschliesslich Abfahrt, jedenfalls kam es uns so vor. Je tiefer wir kamen, desto fruchtbarer und grüner wurde die Gegend. Es wuchsen wieder Eukalyptusbäume und die Täler waren bewirtschaftet.


Millares

Am späteren Nachmittag erreichten wir das Dorf Millares mit seinem Verkehrskontrollposten. Hier müssen alle Fahrzeuge anhalten, was die Dorfbevölkerung ausnutzt und den Passagieren in Auto und Bus verschiedene "Snacks" und Handwerk verkauft. Wir setzten uns zu diesen Verkäuferinnen und probierten alle ihre (essbaren) Spezialitäten aus. Das waren z.B. in Maisblätter eingewickelte, süsse und gebackene Maistäschli, getrocknetes Lamafleisch und gekochte Maiskörner oder Aprikosensirup im Plastiksack. Bei jedem haltenden Fahrzeug sprangen die Verkäuferinnen auf und stürzten sich auf die potentiellen Käufer.


Am Flussufer fanden wir ein ebenes Plätzchen, wo wir unser Zelt aufbauten und die Abendsonne genossen. Da wir nicht ausserhalb des Dorfes campierten, hatten wir schon bald eine Schar neugieriger Mädchen um uns. Diese waren zwar anfangs noch recht scheu, dies änderte sich jedoch rasch...


Unser Zelt lag auch nicht weit vom Schulhaus entfernt, so dass wir während des Morgenessens schon bald die Ausrufe "Gringos, Gringos!!" vernahmen und wenig später umzingelt waren von über 20 Schulkindern. Alles wurde inspiziert und wir natürlich aufs Genauste beobachtet. Als die Schulglocke läutete, verstoben alle Zweibeiner und zurück blieben wir und eine Schweinefamilie, welche nicht weniger neugierig um unser Zelt grunzte.


Sucre

Die zweite Etappe bis nach Sucre war zwar kürzer als die erste, aber um einiges strenger, da wir die "verlorenenen" Höhemeter wieder aufsteigen mussten. Unterwegs waren wir ab einer topmodernen Hängebrücke über ein breites Flussbett recht erstaunt. Diese war zwar traumhaft schön, passte aber irgendwie nicht in diese Umgebung.


In Sucre angekommen, suchten wir wie üblich zuerst die Plaza auf. Diese hier war ausserordentlich belebt und schon nach kurzer Zeit waren wir umgeben von ein paar Burschen, die sich als Schuhputzer ein Sackgeld verdienen. Didis Hut aus Argentinien, welcher während der vergangenen Reise recht gelitten hatte, glänzte nach der Behandlung mehr denn je. Wir verbrachten eine ganze Weile auf der Parkbank mit unseren kleinen Freunden und wissen nicht, wer sich mehr amüsiert hat, die Jungs oder wir.


Das Ding mit dem Visum

Schweizer erhalten bei der Einreise nach Bolivien eine für 30 Tage gültige Aufenthaltserlaubnis. Da diese Zeitspanne für uns Langsamreisende nicht ausreicht bzw. bald ausläuft, suchten wir das Imigrationsbüro hier in Sucre auf. Verlängern kann man diese Erlaubnis um weitere 30 Tage. Dass dieser Vorgang hochoffiziell ist, wurde uns klar, als der Beamte den grossen Save aufschloss, das Papier mit Wasserzeichen herausholte und für jeden von uns eine Aktenmappe eröffnete. Den Pass mussten wir für 24 Stunden im Büro hinterlassen und eine Gebühr entrichten, welche knapp dem 10-fachen von dem entspricht, was wir bei der Einreise nach Bolivien bezahlen mussten.

Potosí

Die Silberstadt liegt am Fusse des Cerro Rico auf 4060 m.ü.M. und ist die höchstgelegenste Grosstadt der Welt. Nach einigem suchen fanden wir ein angenehmes Residencial mit schönem Innenhof, wo es sich gut entspannen liess. Wir genossen vier Tage in dieser kontroversen Stadt und Didi konnte sich erholen und die verlorenen Reserven wieder auftanken.


Potosí ist eine sehr quirlige, lebendige Stadt mit einem grossen, farbenfrohen Markt, an dessen interessanten und unbekannten Produkten wir uns kaum sattsehen konnten. In Bolivien werden in den Strassen unzählige Esswaren und Getänke - meist in kleinen, durchsichtigen Plastiksäckchen - verkauft, wie wir sie noch nie gesehen haben. Eine spezielle Vorliebe scheinen die Leute hier für bunte Desserts aus Gelatine zu haben.


Potosí's Gassen zwischen den wunderschönen, im kolonialstil gebauten Häusern sind eng und eine Unmenge von Fussgängern und Autos zwängen sich aneinender vorbei, was mit einem ständigen Hupkonzert der sich Vorfahrt verschaffenden Autofahrer einhergeht. Schon lange haben wir nicht mehr so viele Autos gesehen.


Die Mine San Miguel

Wir entschieden uns, die Augen auch vor der weniger schönen Seite Potosí's nicht zu verschliessen. Die Stadt ist ein Minenort und obwohl die Silbervorkommen heute weitgehend ausgeschöpft sind, wird heute im Cerro Rico weiterhin unter unmenschlichsten Bedingungen nach Zink, Zinn und Blei geschürft.

Unsere Tour, geführt von José Antonio, einem ehemaligen Bergarbeiter, führte uns als erstes in den "Strassenmarkt der Bergarbeiter". Hier wird Dynamit wie Schockolade verkauft und ist jedermann frei zugänglich. In einem kleinen Laden erklärte uns José Antonio, dass die Minenarbeiter Cocablätter kauen um Hunger, Durst, Schmerz, Sauerstoffmangel und Müdigkeit weniger zu spüren und um den schädlichen Staub zu binden, den sie fortwährend einatmen. Staubmasken gibt es nicht.

Da es üblich ist, dass Besucher den Minenarbeitern Geschenke in Form von Cocablättern, Zigaretten und 96-prozentigem Alkohol - welchen sie dem "Tio" genannten Minengott, dem Teufel weihen - mitbringen, kauften wir von alledem etwas. Zusätzlich erstanden wir eine Portion Dynamit, um uns ein Sprengung demonstrieren zu lassen.


Wir erfuhren, dass Minenarbeiter meist sehr früh an einer Staublunge sterben, dass es üblich ist, dass auch Kinder in den Minen arbeiten und dass Söhne von Minenarbeitern normalerweise auch zu eben solchen werden. Wenn so ein Bergmann stirbt, muss oft die Wittwe arbeiten gehen um die Familie zu ernähren. Diese Frauen arbeiten ausserhalb der Mine, indem sie von Hand mit Hammer und Meissel die Metalle vom unbrauchbaren Gestein trennen.


Wir wurden mit Überhose, Kittel, Gummistiefeln und Helm ausgerüstet und machten uns auf den Weg zur Mine. Als Erstes demonstrierte uns José Antonio die Detonnation unseres Dynamites.


Anschliessend ging's ab in die Unterwelt. Katja hatte im ersten Moment schon ein wenig ein beklommenes Gefühl in diesen engen Höhlen so unter der Erde. Mit einer zünftigen Portion Cocablätter in der Backe und starkem Willen ging's dann aber.


Wir gingen, krochen und kletterten durch die dunkeln, von unseren Lampen jedoch gut beleuchteten Gänge und besichtigten Metalladern im Gestein, Asbestfilamente, Stalagmiten, Stalaktiten, Gesteinsoxidationen und ein unterirdisches Bergarbeitermuseum.


Hier sass auch ein "Tio" und José Antonio zeigte uns, wie man ihm Coca, Alkohol und Zigaretten weiht, um ihn freundlich zu stimmen, guten Ertrag und seinen Schutz zu erhalten. Unterwegs begegneten wir auch einem Bergmann, der wahrlich sehr erschöpft aussah und dankbar eine grosse Portion Cocablätter von uns annahm. Das zu sehen tat schon weh.

Entlag der Schienen der 2 Tonnen Material fassenden, von Hand geschobenen und gezogenen Wagen gelangten wir wieder ans Tageslicht. Das war eine Wohltat und dies, nachdem wir vielleicht eineinhalb Stunden da unten waren, während die Bergmänner 8 Stunden unter Tag verbringen und dazu noch hart arbeiten müssen. Beeindruckt und bedrückt von all dem Gesehenen kehrten wir wieder in die Stadt zurück.

Wir gönnten uns noch einen Tag mehr in Potosí und besuchten an diesem die "Casa de la Moneda", ein prächtiges Haus und ehemalige Münzenfabrik, die zum Museum umfunktioniert worden ist.


Die Räume dieses riesigen Gebäudes wurden teilweise von Grund auf so konstruiert, dass die Maschienen eingepasst werden konnten. Wir nahmen an einer Führung teil und erfuhren einiges über die Produktion von Münzen und anderen Silbergegenständen.

Uyuni bis Potosí

Relaxen in Uyuni

Im Dorf Uyuni erholten wir uns von den Strapazen der vergangenen 3 Wochen. Hier gibt es zwar für den Touristen ausser dem Eisenbahnfriedhof (den wir ausgelassen haben) nicht allzu viel zu sehen, aber für uns Radler genügen nach einer Weile ausserhalb der Zivilisation schon ein Restaurant, ein Internetkaffee und einfach mal ein velofreier Tag. Uyuni ist hauptsächlich Ausgangspunkt für Touren auf den Salar und das Gebiet der Lagunen.


In der Näherei liess sich Didi zwei neue Reissverschlüsse in seine Windstopperhosen einnähen, da diese unter Verstopfung durch Sand und Staub den Geist aufgegeben hatten. Wie schon bei den chilenischen Kollegen ist auch bei den bolivianischen Handwerkern ein gewisses Mass an Hartnäckigkeit erforderlich, damit man erhält was man will. Anfänglich hatte der Meister gar keine Reissverschlüsse, 5 Minuten später kramte er einen Sack voller ebensolcher hervor, in verschiedenen Farben, Längen und Ausführungen. Nebenbei: der Preis für das Material und die Arbeit war umgerechnet ca. CHF 3.-, Bolivien live.

Weiterfahrt nach Potosí

Einige Tage später traten wir den Weg richtung Potosí an. Dieser ist, wie fast alle Strassen im Südwesten von Bolivien, nicht geteert und entsprechend staubig. Die Route führte uns über einen 600m höheren Pass, vorbei an kleinen Bergdörfern und über eine steppenähnliche Hochebene.


Kurz nachdem wir uns entschieden hatten, nach einem Nachtlager Ausschau zu halten, befuren wir eine Baustelle, welche sich über die nächsten ca. 100km erstrecken sollte. Also nichts mit idyllischem Schlafplatz. Etwas abseits der Baumaschinen hinter einem Hügel kamen wir trotzdem zu unserer Nachtruhe - hier wird während 24 Stunden gearbeitet.


Leider fühlte sich Didi am nächsten Tag so schlecht, dass er das wenige Frühstück nur mit Mühe behalten konnte. So beschlossen wir, bis zum nächsten Dorf Ticatica zu radeln und dort weiter zu entscheiden. Der Entscheid fiel dann einstimmig: wir suchten (also Katja suchte, Didi lag wie eine tote Fliege am Schatten) eine Unterkunft und Didi verbrachte den ganzen Nachmittag im Bett. Katja nutzte die Zeit und aktualisierte ihr Tagebuch, worin sie einige Tage im Rückstand war.


Die "Unterkunft" hatte übrigens fliessend Wasser. Zwar nicht am Hahn, sondern in einem kleinen Kanal, welcher durch dieses und die benachbarten Grundstücke floss. Hier wusch man sich und schöpfte Wasser für die WC-Spülung.

Wieder etwas bei Kräften setzten wir die Reise am nächsten Tag fort. In dieser Region ist das Altiplano nicht "plano", sonder vor allem "alti". Über recht strenge Pässe auf steiniger Piste kamen wir von einem Tal ins nächste, passierten Ziegenherden und weidende Lamas. Da im nächsten Dorf (Chaquilla) die einzige Unterkunft ausgebucht war, stellten wir unser Zelt am Dorfrand in den Windschatten eines verlassenen Innenhofes zwischen verfallenen Steinhäusern.


Während wir unser Nachtessen kochten, trieben die Dorfbewohner die Lamas zusammen und pferchten sie über Nacht in ebensolchen Steinverschlägen ein. Verwunderte Blicke fielen auf unser Nachtlager aber alle grüssten uns freundlich (wir natürlich auch) und man liess uns in Ruhe.

Weniger Ruhe hatte Didi diese Nacht mit seinem Bauch, welcher ihn 5 mal zum Aufstehen und zum Erledigen vom dringenden Geschäft zwang (Toilette nicht vorhanden...). Entsprechend schlecht war seine Verfassung am nächsten Morgen und wir beschlossen, bis zur nächsten Stadt Potosí den Bus zu nehmen. Wir setzten uns (wie eine Anzahl anderer Dorfbewohner) an den Strassenrand und warteten den Bus ab, welcher ca. 2 Stunden später heranbrauste.


Selbstverständlich könne er uns samt Velos mitnehmen, meinte der Chauffeur. So hievten wir die Räder auf den Dachträger und stiegen in den Bus - Hoppla, dieser war auf den letzten Platz besetzt und die ausschliesslich indigenen Passagiere sahen uns mit grossen Augen an, als wir uns hereinzwängten und unser "Handgepäck" in der Hutablage deponierten. Der Chauffeur winkte uns zum Glück zu sich in den Führerraum, wo wir somit zu siebt (!) die nächsten 2 Stunden der schaukelnden Fahrt verbrachten. Kurz vor der Endstation in Potosí musste der Bus dann noch aufgrund von Überhitzung eine kurze Pause einlegen, bis die Copilotin mit zwei Kanistern voll Wasser die Motortemperatur normalisiert hatte.