Samstag, 26. April 2008

Chile, wir kommen!

Bei strahlendem Sonnenschein machten wir uns auf in Richtung chilenische Grenze. Von nun an rumpelten wir auf Schotterstrasse weiter. Am Zoll verspeisten wir noch unsere letzten Früchte, die dürfen nämlich nicht mit über die Grenze! Gemüse und Fleisch schmuggelten wir und dank dem, dass der Zollbeamte nichts finden wollte, fand er auch nichts!


Futaleufu

Angeblich internationales Raftingparadies, ist sehr hübsch und zu dieser Jahreszeit absolut nicht mehr touristisch. Als einzige Camper übernachteten wir auf dem Campingplatz eines älteren Ehepaares am See. Chilenische Pesos haben wir uns zwar kurz davor besorgt, hatten jedoch weder eine Ahnung von deren Wert, noch was in Chile so üblicherweise die Preise sind. So vertrauten wir auf die Ehrlichkeit unserer Gastgeber und liessen uns für das fehlende Wechselgeld eine Portion Papas Fritas servieren.


Die Nacht war eiskalt und morgens vermochten uns weder der heisse Kaffee noch das Habermues wirklich aufzuwärmen. Voller Mitleid bat uns die Señora schliesslich in ihre warme Stube vor's Feuer und braute uns einen heissen Maté.

Villa Santa Lucia

Ein wunderschön sonniger Tag neigte sich zu Ende, doch das Ziel unseres Begehrens, Villa Santa Lucia, war noch nicht in Sicht.


Es wurde dunkel und wir wurden müde, doch es galt noch einen zähen und steilen Anstieg zu überwinden. Spannend wird in diesen Momenten der psychologische Aspekt: Da kann sich das Befinden augenblicklich komplett verändern, sobald die Strasse wieder abwärts führt und in der Ferne ein paar Lichter aufleuchten!
Im Hospedaje feierten wir bei einem Nachtessen am Feuer mit einem Wein aus dem Tetrapack unseren 500-sten Velokilometer. Unsere Mitbewohner, drei Isrelis, die per Autostopp unterwegs sind, erzählten uns von ihren Schwierigkeiten jeweils weiterzukommen. Das wundert uns gar nicht. Der "Verkehr" auf der Strasse beschränkt sich auf vielleicht 10 Fahrzeuge, denen man pro Tag begegnet! Das Schöne ist, dass alle hupen und winken und vorallem machen sie immer freundlich grosse Bogen um uns.

La Junta

Von jetzt an rollen wir auf der legendären "Carretera Austral".


Nach La Junta beginnt der Regenwald und wenig später auch das Regenwetter. Beeindruckend sind vorallem die Dichte der Vegetation und die riesengrossen Nalca-Blätter (eine Art Rhabarber) die hier wachsen.


Puyuhuapi

In Puyuhuapi erwartete uns ein Empfangskomitee: wieder zwei Israelis, die vergeblich auf Transitverkehr warteten. Sie waren beeindruckt von unserer Art zu Reisen und kochten uns gleich auf der Brücke vor dem Dorf Kaffee.

Die Suche nach einer Bank endete in einem der zahlreichen Supermercados. Geld gibt's da jedoch nur für den, der auch ein chilenisches Konto hat. Travellers Cheques? Nada! Argentinische Pesos? Wo denkt ihr hin? Dolares? Bueno! Zum Glück haben wir eine so grosse Auswahl an Zahlungsmitteln!

Quelat Nationalpark

Nach einem Tag Pause nahmen wir trotz Regenwetter wieder die Carretera unter die Räder. Allerdings nur für etwa 5 Kilometer. Da war die Strasse wegen Sprengarbeiten gesperrt. Doch es gibt viele Möglichkeiten eine Stunde Wartezeit zu überbrücken: Reiseführer lesen, Velokette putzen, Schrauben anziehen und Schoggi essen zum Beispiel!


Die Weiterfahrt gestaltete sich nicht ganz einfach: die Strasse war teils durch den Regen, teils durch die Bauarbeiten in desolatem Zustand. Kein Wunder, dass Katja mitten in den Matsch plumpste, als sich ihre Klicks wiedermal nicht lösten als sie im tiefen Sand steckenblieb...


Unterdessen gesellte sich eine Hündin zum wartenden Didi. Sie schien beschlossen zu haben, von nun an zu uns zu gehören und begleitete uns die nächsten dreieinhalb Tage.

Wir befanden uns im Quelat Nationalpark, wo's einen schönen Hängegletscher geben soll. Vergeblich haben wir nach diesem gesucht, denn der Nebel hat ihn verschluckt.


On Top of unendlich vielen Haarnadelkurven stellten wir abends in strömendem Regen unser Zelt in den Matsch. Unser armer Hund rollte sich daneben zusammen und wartete, bis wir morgens wieder aufbrachen. Mit einer langen Abfahrt wurden wir nun für die Strapazen des Vorabends belohnt.

Villa Amengual

So hiess unser nächstes Ziel. Ein Strassenarbeiternest, welches vor allem damit imponierte, dass die Strasse kurz vor dem Dorf wieder geteert und bei der Einfahrt sogar zweispurig war.


Pflotschnass und dreckig kamen wir in einem Hospedaje unter und wärmten uns am Feuer auf. Wir legten einen Wasch-, Putz-, Flick- und Trocknungstag ein. Als wir kurz vor der Abfahrt aus dem Supermercado zu unseren Velos zurückkamen, warteten da nebst "unserem" Hund nun auch noch Katzen und Hühner auf uns. Wir kamen uns vor wie die "Bremer Stadtmusikanten". Obwohl er nochmals mit uns startete, verlor uns unser Hund an diesem Tag, nachdem er ca. 120km hinter uns hergerannt war. Auf der von nun an wieder geteerten Strasse waren wir ihm einfach zu schnell.


Manihuales

Vom Regenwald kamen wir nun in eine Gegend mit viel Weideland. Kühe, Schafe und Pferde grasten abseits der Strasse. Einige Kilometer nach Manihuales fanden wir ein schönes Plätzchen zum Zelten. Draussen in der Einsamkeit vor einem Wochenendhäuschen mit fliessendem Wasser im Garten. Gerade, als wir frierend unsere heisse Pasta genossen, fuhr Louis (der Besitzer des Häuschens) vor. Wir fürchteten schon, er würde uns vertreiben! Er jedoch hatte Mitleid mit uns und bot uns an, in seinem Häuschen zu übernachten. Er machte uns ein Feuer und meinte, wenn man gut zu den Menschen sei, komme alles irgendwann zurück. Wir konnten unser Glück kaum fassen! Das wäre bestimmt eine sehr kalte Nacht geworden im Zelt. Da er nichts von uns wollte, schenkten wir ihm zum Dank unsere letzte schweizer Lindt-Schoggi und ein Taschenmesser.


Coyhaique

Das Kontrastprogramm der Gastfreundlichkeit erlebten wir tags darauf in Coyhaique. Auf der Suche nach einer Unterkunft wurden wir beim vierten Hospedaje aufgenommen. Wohlverstanden das teuerste seit langem und Extraservices wie eine Flasche heisses Trinkwasser oder die Benützung der Küche kosteten auch extra. WC-Papier gab's auch auf Nachfrage keines und das "agua caliente" der Dusche war eiskalt.

So wurden unsere Erwartungen an das lange nicht mehr erlebte Grossstadt-Feeling herbe enttäuscht. Die absoluten Höhepunkte von Coyhaique waren für uns letztlich der enorme Supermercado mit einem mit der Schweiz vergleichbaren Sortiment und das "Filete de lomo" in einem herzigen Restaurant.

Nationalpark Cerro Castillo

Mit viel Rückenwind brausten wir tags darauf weiter. Nach einer strengen Bergfahrt erreichten wir einen wunderschönen, verlassenen Campingplatz mit Feuerstelle, Holz und Tischen mit Bänken. Am Lagerfeuer genossen wir einen romantischen Abend im Freien.


Bei strahlendem Sonnenschein radelten wir am nächsten Morgen auf den höchsten Pass (Ibañez Pass, ca. 1120 m.ü.M.) der gesamten Carretera Austral und unserem 1000-sten Velokilometer entgegen.


Puerto Ibañez

Hier kauften wir uns bei der Firma "Mar del Sur" Tickets für die Fähre über den Lago General Carrera nach Chile Chico. Deren Filiale befindet sich im Wohnzimmer eines älteren Ehepares, welches nebenbei auch noch ein Hospedaje führt. So nahmen wir uns auch gleich ein Zimmer.

Um unsere Kilometer-Schnappszahl, unseren bisher höchsten Pass und den Geburtstag unseres Patenkindes Ronja zu feiern, beschlossen wir, auswärts zu essen. Das Restaurand welches wir fanden war dunkel, jedoch mit "abierto" und "tocca el timbre" angeschrieben. So läuteten wir und tatsächlich öffnete uns eine freundliche Senora die Tür. Natürlich kocht sie uns etwas! Menü 1: Fleisch mit Reis und Gemüse und Salat. Als "Postre" gab's Himbeergelee. Auf unsere Frage nach Wein antwortete sie, sie gehe uns gleich einen kaufen. Dies übernahm dann Didi für sie. Wir genossen den Abend in dem so authentischen Ambiente sehr und es machte uns Spass, mit dieser liebenswerten Senora unser Spanisch zu praktizieren.

Chile Chico

Morgens um 10 fuhr unsere Fähre nach Chile Chico, der "ciudad del sol". 2,5h schipperten wir über den See und landeten an einem friedlichen Fleckchen Erde.


Carlos, ein freundlicher Mann, warb am Hafen für sein Hostal und schliesslich zogen wir auch bei ihm ein. Wir wurden herzlich mit Mate empfangen und geniessen eine erholsame und unterhaltsame Zeit in gemütlicher Atmosphäre, bevor uns die Reise wieder zurück nach Argentinien führt.

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