Donnerstag, 21. August 2008

Wuesten-er-fahrungen

Von Copiapo nach Chañaral


Noch bevor wir Copiapo verliessen, erreichten wir unseren 5000-sten Velokilometer, was wir natuerlich festhalten mussten. Zu unserer Ueberraschung auf einem richtigen Radweg (!) fuhren wir entlang der Panamericana in Richtung Westen und kamen durch das anfangs noch sehr gruene Tal des Rio Copiapo.


Reben von Pisco-Trauben, Olivenhaine und Palmen saeumten die Strasse, welche vorwiegend abwaerts fuehrte. Ein kraeftiger Gegenwind blies uns entgegen, die Gegend wurde langsam wieder trocken und sandig und je mehr wir uns dem Meer naeherten, desto mehr bewoelkte sich der anfangs stahlblaue Himmel und es wurde richtig kuehl. Als wir im kleinen Nest Bahia Inglesa ankamen, waren wir recht enttaeuscht: Erzaehlungen zufolge erwarteten wir einen Traumstrand, was wir vorfanden war eine eher schmutzige, stinkende Bucht, die zusammen mit dem duesteren Himmel einen ziemlich trostlosen Eindruck hinterliess. Wir entschlossen uns, noch ein paar Kilometer weiter nach Caldera zu fahren, wo wir ein gemuetliches Zimmer bezogen.

Am naechsten Tag gings mit viel Rueckenwind weiter nach Chañaral. Das war eine wunderschoene, 91km lange Fahrt entlang der Kueste mit Sandstraenden und Klippen zu unserer Linken und der Wueste mit ihren Huegeln aus Sand und Steinen mit einigen knorrigen Bueschen und Kakteen zu unserer Rechten.


Pan de Azucar

Chañaral verliessen wir auf einer Naturstrasse, welche uns durch den wunderschoenen Nationalpark Pan de Azucar fuehrte und uns zur Abwechslung eine verkehrsfreie Strecke abseits der Ruta 5 bescherte, was wir sehr genossen.


Der Park ist landschaftlich sehr reizvoll, mit weissen Sandstraenden entlang vom blauen Meer und braunen, gruenen und lilafarbigen Huegeln. Waere man zum richtigen Zeitpunkt hier, wuerde man auch Pinguine vorfinden...


Als wir wieder zur Ruta 5 kamen, fuellten wir bei einer Posada als erstes unseren Wassersack. Auf Didis Frage, wie weit entfernt die naechste Posada sei, antwortete die Wirtin: "Eine Stunde". Wahrscheinlich hat sie nicht eine Velostunde gemeint...

Bald gings bei viel Gegenwind lange bergauf. Die freundlichen Camionfahrer hupten und winkten uns wieder freudig zu, aber wir konnten unsere Lenker nun beim besten Willen nicht loslassen um zurueckzuwinken. Als wir oben ankamen, zeigte Didis GPS, dass wir gerade mal schnell knapp 800 Hoehenmeter hinter uns gebracht haben.


Die Abfahrt war dann nicht ganz so erholsam wie erhofft: grosse, tiefe Loecher in der Strasse und ein nicht mehr befahrbarer Seitenstreifen nebst einigem Verkehr forderten unsere ganze Aufmerksamkeit.
Mitten in "La Nada" schlugen wir schliesslich kurz vor Sonnenuntergang umgeben von braun-sandigen Huegeln unser Nachtlager auf. Es war ein herrlich lauer Abend und wir sassen bei Vollmond und Sternenhimmel noch eine ganze Weile draussen und genossen die Stille der Wueste.

Taltal

Weiter gings wieder bei schoenstem Sonnenschein und Gegenwind durch die braunrote Wueste auf unendlich langer, schnurgerader Strasse immer leicht aufwaerts, bis wir schliesslich nach 30 Kilometern Fahrt zu einer Posada und der Abzweigung nach Taltal kamen. Wir staunten nicht schlecht, hatten wir diesen Ort doch erst etwa 30 Kilometer spaeter erwartet. Auf Nachfrage bei der Posada stellte sich heraus, dass bei der Distanzangabe auf unserer Karte ein Druckfehler unterlaufen ist.

Wir befanden uns immernoch auf ca. 800 m.ue.M und das auf Meereshoehe liegende Taltal war gerade noch 25 Kilometer entfernt. Wir stellten uns auf eine rauschende Abfahrt ein und zogen schon Mal unsere Jacken an. Diese konnten wir dann auch gut gebrauchen. Nicht, dass wir so schnell gefahren waeren, aber der Wind blies uns so stark entgegen, dass wir selbst bergab noch strampelten.

Taltal empfing uns wie viele Orte am Meer mit dichten Wolken. Wir machten uns bald auf die Suche nach einer Bleibe, was einmal mehr nicht ganz einfach war: oft gibts hier Hostels, deren Zimmer keine Fenster haben. Wenn man in so einem Zimmer etwas sehen will, muss man den Fernseher einschalten, welcher im Gegensatz zu den Fenstern praktisch nie fehlt.

Lustig, was man alles sieht. Katja kam grinsend von einer Hostelbesichtigung zurueck auf die Strasse: die Señora der Unterkunft war ein Mann in langem Rock, geschminkt und mit Lockenwicklern im Haar und er - entschuldigung - sie erklaerte freundlich, das Hostel sei ausgebucht. Doch wie so oft lohnte sich unsere Geduld und wir fanden ein huebsches Plaetzchen mit Terasse direkt am Meer.



Hier liess es sich sehr gut leben und wir goennten uns in Voraussicht einer langen, einsamen Veloetappe einen Pausentag. Diesen verbrachten wir mit Velos haetscheln, lesen, Pelikane und Seehunde beobachten, einem Dorfspaziergang mit Hafenbesichtigung und einem Besuch im Internetkaffee.


Auf nach Antofagasta

An einem duesteren Morgen verliessen wir Taltal auf der Ruta 1 der Kueste entlang. Gerade als wir nach 55 Kilometern Fahrt das winzige Doerfchen Paposo erreichten, fing es an zu nieseln. Genau hier, wo wir ca. 13 Liter Wasser fuer die folgenden Tage "auftankten", bog die Strasse von der Kueste ab ins Inland und begann steil anzusteigen. In Versuchung, diese Steigung zu umfahren, erkundigten wir uns nach dem Zustand der weiter der Kueste entlangfuehrenden Ruta 1. Sehr schlecht sei sie und war auf der Karte auch nur noch gepuenktelt eingezeichnet.

Etwas ratlos standen wir da und entschieden uns schliesslich fuer die Bergvariante, fest entschlossen, den erstbesten uns einholenden Pickup anzuhalten. Dieser liess nicht lange auf sich warten und lud uns auf. Als wir eine der in Chile zahlreich vorhandenen Gebetsstaetten am Strassenrand passierten, bekreuzigte sich unser Fahrer. Er wird gewusst haben warum. Wenig spaeter haetten wir ihn... naja, erstmals waren wir froh und dankbar, dass er uns mitgenommen hat. Die dichten Wolken, welche wir vorhin von unten gesehen hatten, durchquerten wir nun und es ging ewig lang im Nebel auf holprigem Kies steil bergauf. Wir waren heilfroh, im Auto zu sitzen.

Als wir "oben" ankamen, lachte die Sonne vom wolkenlosen Himmel, wir hatten gerade ca. 1400 Hoehenmeter Steigung "gespart" und unser Chauffeur verkuendete uns die frohe Botschaft, dass es von nun an die ganze ca. noch 170 km lange Strecke bis Antofagasta nur noch bergab gehe. Freude herrschte, jedoch nicht lange. Nach der ersten Kurve breitete sich eine endlos erscheinende, sich sanft einen Huegel hinaufschlaengelnde Strasse vor uns aus. Dazu kam ein Wind, der uns manchmal fast von den Velos blies.


Wir hofften, der Wind lasse nach Sonnenuntergang nach und fuhren eisern den Berg hinauf. Nach ueber zwei Stunden und 15 km Fahrt kamen wir auf der Kuppe an und sahen gleich an die Naechste. Es daemmerte und Katja machte langsam schlapp. Nach kurzer Zeit gab auch Didi seine Hoffnung auf ein Nachtlager im Windschatten auf und wir schlugen auf rund 2000 m.ue.M am bisher hoechsten Punkt unserer Reise unser Zelt auf.

Am naechsten Morgen blies der Wind weiter wie gehabt. Wir staerkten uns mit Habermues fuer die Weiterfahrt, legten mit vereinten Kraeften das Zelt zusammen und verliessen unser staubiges Quartier. Wie schon der Wind aenderte sich auch der Srassenverlauf nicht: es ging endlos geradeaus-bergauf und wenn's mal fuer kurze Zeit bergab ging, sah man von weitem schon die naechste Steigung und der Wind blies so stark, dass wir selbst abwaerts noch strampelten wie wild. Von wegen nur noch bergab bis Antofagasta! Katja war froh und dankbar um Didi's Windschatten, doch auch der brachte nur begrenzte Erleichterung. Wir zappelten ueber vier Stunden durch die Wueste und bewaeltigten in dieser Zeit gerade mal 35 Kilometer.


Als wir -wiedermal eine Huegelkuppe weiter- eine kleine Pause machten, hielt ein kleiner Camion an und der Fahrer fragte uns, ob wir mitreiten wollten. Dankbar nahmen wir sein Angebot an und liessen uns gerne die endlich letzte Steigung hinaufchauffieren. Das waren vielleicht nur 15 Kilometer, doch es ersparte uns sicher zwei Stunden Fahrt und einige Schweissperlen. Gluecklich konnten wir anschliessend bei nachlassendem Wind unsere Velos wiedermal einige Kilometer hinuntersausen lassen und fanden bald ein geschuetztes Plaetzchen hinter einer Sandduene zum uebernachten.


Trotz schwindender Nahrungs- und Wasserreserven gab's an diesem Abend ein 5-Gang Menue: Quicksuppe, gefolgt von Thonsalat mit Zwiebeln, Linsen aus der Dose, Nudeln mit aus dem Abgiesswasser hergestellter Paeckli-pfeffersauce und Dosenpfirsiche als Dessert. Wir genossen den Abend und die Stille ohne den Wind.

Am naechsten Morgen wurden wir von der Sonne und der Hitze im Zelt geweckt. Es war ohne den Wind so heiss, dass einem die Schweissperlen herunterliefen ohne dass man sich gross bewegte. Jetzt war es noch ein Katzensprung nach Antofagasta. Wir teilten bruederlich unser letztes Wasser und fuhren bei ertraeglichem Gegenwind und kontinuierlich leichtem Gefaelle der Strasse unserem naechsten Ziel entgegen.


Antofagasta empfing uns mit palmengesaeumten Strassen entlang des blauen Meeres und frisch gesprengten, duftenden Rasenflaechen. Wie lange haben wir schon kein Gras mehr gerochen!

Als erstes gab's gleich einen Cheeseburger fuer Didi und ein herrlich kuehles Glace fuer Katja bei McDonalds, womit wir uns ans Meer setzten und nach einer strengen aber schoenen Wuestenetappe unsere Ankunft in der Zivilisation genossen. Jetzt haben wir zwei Tage Pause verdient.

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