Samstag, 24. Mai 2008

Tierra del Fuego

Estanzia Concordia
In Porvenir füllten wir an der Tankstelle die Benzinflasche für den Kocher auf. Da Katja dringend eine Toilette benötigte, fragten wir die Dame an der Kasse, ob Katja ev. das WC benützen dürfe. "Nein, das sei kein öffentliches WC!". Wo jedoch das nächste WC sei, konnte sie uns auch nicht sagen. Didi schlug Katja vor, direkt vor die Ladentür zu schiffen. Das wollte sie jedoch nicht und machte stattdessen ihr Geschäft hinter dem Haus (-> Gruss an Maya).


Kurz nach dem Dörflein endete der Teer und wir radelten entlang der Küste richtung Osten. Oft scheuchten wir ganze Schwärme von Wildgänsen auf, die am Wegrand sassen. Auch Herden von Guanakos begegneten wir häufiger als bisher, welche dann jeweils elegant über den Zaun am Wegrand sprangen. Einmal huschte sogar ein Fuchs vor uns über die Strasse.


Dies änderte jedoch nichts an der Tatsache, dass es wegen des leichten Gegenwindes saukalt war. Feucht vom Schweiss entschieden wir kurz vor dem Eindunkeln, bei einer Estanzia etwas abseits der Strasse nach einer Zeltmöglichkeit zu fragen. Wir wurden von einem Gaucho empfangen, der von Zelt aufstellen gar nichts wissen wollte. Er bat uns (wie es uns schon einige male ergangen ist) zuerst mal ins Haus, stellte uns vor den warmen Holzherd und tischte ein Zvieriplättli mit Konfi und Fleisch auf. Dazu servierte er warmen Tee.

Die Estanzia Concordia mit rund 6000 Schafen wird ganzjährlich von drei Gauchos betrieben. Lediglich während 2 Monaten erscheinen die Besitzer und machen Urlaub auf dem Grundstück. Es gibt weder Telefon, Auto noch Strom. Geheizt und gekocht wird mit Holz und die Räume werden mit Gaslaternen oder Kerzen beleuchtet. Ein öffentlicher Bus fährt 2 mal in der Woche ins 60km entfernte Porvenir.


Sie boten uns ein Bett im Massenlager an und erwarteten als Gegenleistung lediglich, dass wir ihnen per Post ein Foto von uns zustellen. Sie präsentierten uns eine ganze Sammlung von solchen Erinnerungsfotos und Ansichtskarten von Velofahrern, welche in den letzten Jahren bei ihnen übernachtet hatten. Darunter entdeckten wir auch - welch Zufall - eine Fotosammlung von Klaus Loosli, dem jungen Berner, von welchem wir in Wetzikon vor unserer Reise eine Multimediapräsentation besucht hatten.

Obendrein luden sie uns zum Nachtessen ein. Sie bereiteten in einem grossen Topf ein Cordero (Lamm) zu, welches uns vorzüglich schmeckte. Wir revanchierten uns mit einem Dessert. Die Schokoladencreme zauberte den Gauchos beim ersten Löffel ein Strahlen ins Gesicht, was uns vermuten liess, dass sie die Abwechslung zum täglichen Lamm genossen.


Tags darauf konnten wir bei der Arbeit mit den Schafen zuschauen. Da nun jedoch nicht Zeit für Schafschur ist, handelte es sich um Metzgete. Mit gekonnten Handgriffen entnahmen Sie 5 Tieren das warme Blut, zogen ihnen danach das Fell ab und hängten die entweideten (= nicht mehr am weiden...) Tiere an Haken. In der Zwischenzeit bereitete der dritte Kollege in der Küche den Sud für die Blutwürste zu.


San Sebastian
Wir bereiteten uns auch vor, jedoch für die bevorstehende Tagesettape, welche ein strenges Stück werden sollte. Zwar war die Strasse flacher als gestern, dafür hatten wir leichten Gegenwind, der Himmel war verhangen, so richtiges Sauwetter. Dazu kam, dass es zu dunkeln begann, bevor wir unser geplantes Tagesziel - den chilenischen Grenzposten - erreicht hatten. So fuhren wir die letzte halbe Stunde im Dunkeln, was in Anbetracht von quasi keinem Verkehr nicht sehr gefährlich war.

Am Grenzposten dann fanden wir zwar das erwartete Hostal aber leider war es geschlossen. Also fragten wir beim Polizeiposten nach. Der freundliche Herr füllte unseren Wassersack und schlug uns das verlassene Gebäude nebenan vor, um darin das Zelt aufzustellen. Dies taten wir auch, beschwerten die Zeltschnüre mit alten Autobatterien und ignorierten die dicke Staubschicht, welche alles bedeckte. Wir fanden die Situation angemessen, um die lange aufgesparte Trekkingmahlzeit einzusetzen, ein "Mousse au chocolat" zum anrühren. Sie schmeckte nicht mal so schlecht, war jedoch nicht ganz stichfest.


Um der Kälte etwas die Stirne zu bieten, durfte heute Nacht auch der Wärmebeutel von der Migros seinen Einsatz leisten.

Rio Grande
Der nächste Morgen war für Katja vermutlich der härteste bis jetzt. Die Velokleider und -schuhe waren nun nicht nur feucht, sondern auch noch eiskalt. Kurz vor der Weiterfahrt begann es noch zu regnen und die sandige Strasse war entsprechend ein Geschmier.


Jeder uns kreuzende Lastwagen hüllte uns in eine Dreckwolke und überzog uns mit einer zusätzlichen Schicht Sand. Die Passanten am argentinischen Grenzposten schauten uns ganz komisch an, als wir zwei Schweine das Grenzbüro betraten...

Rio Grande, die nächste Ortschaft auf unserem Weg, lag noch 80km vor uns und wir hatten keine 4 Stunden Tageslicht mehr. Da die Strasse ab nun asphaltiert war und auch der Wind die Richtung wechselte, kamen wir mit bis zu 30km/h ganz gut voran, sogar die Sonne zeigte sich zeitweise. Unterwegs legten wir zur Feier unseres 2000-sten Velokilometers eine kurze Pause ein und stiessen mit einem Reiheli "Sahne-Nuss-Schoggi" auf unsere erbrachte Leistung an.


Erst beim Losfahren bemerkte Didi dann den Plattfuss am Hinterrad. Genau bei Kilometer 2000 dürfen wir den ersten platten Reifen beklagen. Durch die Reparatur war unser vorgängig herausgefahrener Vorsprung wieder zunichte und dadurch wurde es ca. 10km vor unserem Tagesziel dunkel. Auf dieser Strasse hatte es jedoch viel mehr Verkehr als gestern, was uns bei jedem sich nähernden Fahrzeug dazu zwang, im dunkeln ins Kiesbett neben der Teerstrasse auszuweichen, mühsam und nicht ungefährlich. Trotzdem erreichten wir irgendwann und irgendwie die Stadt, wo wir nach dem vierten mal Fragen auch ein Hostel fanden. Die Besitzerin kriegte zwar beinahe ein Herzstillstand als sie uns sah ("Son locos!" -> "Ihr seid ja verrückt!"), umarmte uns trotz unserer dreckig-nassen Erscheinung und führte uns ins Haus. Auch sie entfachte sofort ein Feuer im Schwedenofen und drückte uns eine Tasse Tee in die Hände. Ob wohl irgendwo auf unserer Stirne steht: "Bitte Feuer machen und Tee anbieten"? Nein, ganz ehrlich, wir waren gerührt vom herzlichen Empfang.

1 Kommentar:

Anonym hat gesagt…

uello didi und katja

ich lese regelmässig euren blog, leide mit und habe freude wenn es euch gut geht. übrigens kenne ich den loosli klaus, hättet ihr auch vorher mich fragen können. habt eine schöne zeit und denkt ab und an an die arbeitenden zahnrädchen zu hause.

grz cousin martin aus dem emmental